01.03.2021 / Kategorie: Allgemeine Meldung

Stellungnahme des Bundesverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler zur INITIATIVE Ref. Ares(2021)102652 ZUGANG VON SOLO-SELBSTÄNDIGEN ZU TARIFVERTRÄGEN


Der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler unterstützt die Initiative und fordert, den Zugang zu Tarifverträgen auch auf die Soloselbständigen außerhalb der Plattform-Ökonomie auszudehnen.

Mit Blick auf die wirtschaftliche Situation in der Bildenden Kunst mit vielen hybriden Beschäftigungsformen im gesamten Bereich der Kreativwirtschaft sehen wir die Option 4 der Initiative als vordringlich an, da das Problem nicht durch die Plattformökonomie neu verursacht ist, sondern bereits in vordigitaler Zeit existiert hat.

Insbesondere erwarten wir für die Bildende Kunst eine Verbesserung der Verhandlungsbasis der Soloselbständigen und ihrer berufsständischen Interessenvertretung gegenüber Ausstellungshäusern, privaten Auftraggebern, Verwertern von Kunst, den Galerien und Verbänden des Kunstmarkts. Eine klare Vereinbarung, wie z. B. die HOAI der Architekten, könnte zu einer deutlichen Verbesserung und Stabilisierung der Einkommenssituation führen und dadurch eine soziale Absicherung und Altersvorsorge erleichtern. Zudem erwarten wir von der Initiative eine Verbesserung der Verhandlungsposition zu Institutionen der Öffentlichen Hand und sehr großen Unternehmen, die aufgrund ihrer Monopolstellung bisher keine oder verschwindend geringe Honorare für freischaffende Künstlerinnen und Künstler bezahlen.

Die Situation der Soloselbständigen im Bereich der Kunst und Kreativwirtschaft ist prekär. Die Selbstvermarktung hat durch die Digitalisierung nicht zugenommen, d. h. dass die Verwerter weiterhin eine sehr große Bedeutung haben (Schulz, 2020: 025). Die Marktmacht der Verwerter kreativer Arbeit ist erdrückend. Eine gleichberechtigt funktionierende Verhandlungsbasis zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber ist nicht gegeben. Unlauterer Wettbewerb und Preisdumping sind weit verbreitet. Die Preise orientieren sich weitgehend an gedeckelten Etats und nicht am tatsächlichen Aufwand. Die Duldung unbezahlter Arbeitsleistung stellt die Maximalform des Preisdumpings dar.

Das Ergebnis der Eurofonds-Studie aus dem Jahre 2017 – ein Viertel der Selbständigen haben ungünstige Arbeitsbedingungen einschließlich eines niedrigen Einkommensniveaus – deckt sich mit anderen Studienergebnissen in der Bildenden Kunst. Die Einkommen sind überwiegend prekär – auch, weil künstlerische Leistungen nicht oder nur teilweise vergütet werden. Deswegen fordert der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) mit seinen Landes- und Regionalverbänden, künstlerische Leistungen angemessen zu vergüten, wie z. B. im Zusammenhang mit Ausstellungen (Ausstellungsvergütung), Ablöse von Bildrechten, angemessene Verrechnungssätze für kreative, freiberufliche Leistungen, eine Preisbildung, die sich orientiert am tatsächlichen Aufwand. Faire Mindeststandards können den verbreiteten unlauteren Wettbewerb zurückdrängen, ohne eine grundsätzlich freie Preisgestaltung infrage zu stellen.

Die Initiative der EU KOM würde die Verhandlungsposition der Berufsverbände für eine angemessene Honorarfindung stärken und die rechtlichen Rahmenbedingungen für Verhandlungen schaffen.

Im Bereich des Urheberrechts verfügen Bildende Künstler*innen in Deutschland bereits über eine starke Verhandlungsführung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene durch die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst. Wir fordern eine weitere Stärkung der Verwertungsgesellschaften in allen europäischen Ländern.

Im Teilsegment der Kreativwirtschaft des bayerischen Kunstmarkts ist der Anteil der Mini-Selbständigen mit 69,5 % aller Erwerbstätigen überdurchschnittlich hoch (Zweiter Bayerischer Kreativwirtschaftsbericht, 2020: 30). Die Anzahl der Erwerbstätigen in der Bildenden Kunst ist zwischen 2013 und 2018 um 4,5 % gesunken, der Umsatz im selben Zeitraum um 8,4 % gefallen, im Bundesdurchschnitt waren es 2 % (S. 34).

Das durchschnittliche Einkommen p. a. in den verschiedenen Tätigkeitsbereichen der Bildenden Kunst lag im Jahr 2019 bei rund 15.000 EUR bei Frauen und 20.500 EUR bei Männern (2019 nach KSK-Zahlen, aus Schulz, 2020: 341) und befindet sich damit im unteren Einkommenssegment.

Rund 53 % der Produzentinnen und Produzenten von Bildender Kunst erzielen 1.000 bis 5.000 EUR p. a. Einnahmen aus künstlerischer Tätigkeit, nur knapp 1 % über 50.000 EUR (Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (Hg.), 2020: 39).

Literaturverzeichnis:

Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (Hg.), 2020: Von der Kunst zu leben. Expertise zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Bildenden Künstlerinnen und Künstler. https://www.bbk- bundesverband.de/publikationen/umfrage-zur-wirtschaftlichen-und-sozialen- situation

Zweiter Bayerischer Kreativwirtschaftsbericht, 2020: https://bayern- kreativ.de/wp-content/uploads/2020/03/2--bayerischer-kultur-und- kreativwirtschaftsbericht.pdf

Schulz, Gabriele, Zimmermann, Olaf, 2020: Frauen und Männer im Kulturmarkt. Bericht zur wirtschaftlichen und sozialen Lage. https://www.kulturrat.de/wp- content/uploads/2020/10/Frauen-und-Maenner-im-Kulturmarkt.pdf

Link zur Seite der EU-Kommission:

https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your- say/initiatives/12483-Collective-bargaining-agreements-for-self- employed-scope-of-application-EU-competition-rules