22.06.2011 / Kategorie: Pressemitteilung

Offener Brief an den Intendanten des Hessischen Rundfunks


Sehr geehrter Herr Dr. Reitze,der Marilies-Hess-Kunstpreis wurde in diesem Jahr an die international anerkannte Künstlerin Annegret Soltau verliehen. Diese Entscheidung ehrt die Künstlerin, sie steigert aber auch das Renommé dieses Preises.
Dass der hessische Rundfunk die Verleihung dieses Preises zum Anlass nimmt, der Künstlerin Annegret Soltau in seinen Räumen eine Ausstellung einzurichten, macht deutlich, dass der Sender als öffentliche Einrichtung auch seinen kulturellen Auftrag ernst nimmt.
Umso bedenklicher ist es, dass nun einige Exponate aus der Ausstellung entfernt oder verhängt wurden, und dass eine Videoarbeit, die Teil der Ausstellung ist, nicht mehr gezeigt werden darf.
Wenn unsere Informationen zutreffen, ist diese Maßnahme der Intervention eines iranischen Vereins geschuldet. Mag sein, dass mit der Entfernung einzelner Exponate Konflikte vermieden werden können.
Aber diese Handlungsweise ist ein eklatanter Verstoß gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, das die Freiheit der Kunst garantiert. Dieses Gesetz haben alle zu respektieren, die in diesem Land leben oder es besuchen. Vor allem aber haben sich Menschen an diesem Grundgesetz zu orientieren, die wie Sie Verantwortung tragen in einer öffentlichen Einrichtung.
Der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler, mit 10.000 Mitgliedern der größte Künstlerverband in Europa, fordert Sie daher nachdrücklich auf, die von der Künstlerin Annegret Soltau konzipierte ursprüngliche Form der Ausstellung wieder herzustellen und auch die Videoarbeit wieder dem Publikum zugänglich zu machen. 
Wenn einige Exponate der Ausstellung provozierend wirken sollten, spricht das keineswegs gegen die Qualität der Kunst, solcherart Wirkung kann durchaus immanente Aufgabe von Kunst sein. Solche Exponate aber aus einer Ausstellung zu entfernen ist nicht nur ein Verstoß gegen das Grundgesetz unseres Landes, es ist eine Maßnahme, die unsere kulturelle Identität beschädigt. Das aber, verehrter Herr Reitze, können Sie nicht im Ernst vertreten wollen.

Werner Schaub
Vorsitzender und Sprecher