Arbeitsprogramm des BBK Bundesverbands für die Jahre 2022 – 2025
Beschluss des BBK Bundesausschusses am 19. Februar 2022
Auftakt
Wie sieht der Beruf Bildende Kunst in zehn Jahren aus? Wie werden Künstler:innen in der Gesellschaft dann verortet sein? Wie kann der BBK Bundesverband diese Zukunft mitgestalten, welche Rolle nimmt der BBK Bundesverband dabei ein?
Bildende Kunst ist global und regional, vielfältig und divers. Ihre Akteur:innen machen die zeitgenössische Kunstproduktion und kulturelles/künstlerisches Erbe nachhaltig wirksam und in Gesellschaft und im Alltag sichtbar. Sie schaffen die Grundlage für Kunstvermittlung als wichtigen Baustein lebenslangen Lernens.
Das bildkünstlerische Schaffen – die künstlerische Idee/Arbeit/Produktion – ist die Mitte des kulturpolitischen Handelns des BBK Bundesverbandes. Der Berufsverband setzt sich dafür ein, die Rahmenbedingungen für künstlerisches Schaffen zu verbessern und künstlerische Existenz zu sichern. Wir setzen uns für die Stärkung der Sichtbarkeit und Wertschätzung der Bildenden Kunst, der Bildenden Künstler:innen und der Arbeit ihrer berufsständigen Vertretung durch den BBK Bundesverband, seiner Landes- und Regionalverbände sowie seiner Kooperationspartner:innen ein. Strategisch arbeitet der BBK Bundesverband mit anderen bundesweit tätigen Künstler:innenverbänden und Akteur:innen des Kunstbetriebs in nationalen und internationalen Netzwerken zusammen.
Arbeitsschwerpunkte in den Jahren 2022-2025
- Kunstfreiheit sichern
- Rahmenbedingungen für künstlerisches Schaffen verbessern
- Nachhaltigkeit ermöglichen
- Kunst(vermittlung) als Baustein lebenslangen Lernens stärken
Voraussetzung für produktives Kunstschaffen ist die Wahrung der Kunstfreiheit. Verankert in Art. 5 Abs. 3 GG erfordert sie die mitgestaltende Partizipation von Künstler:innen und bietet dadurch Gewähr gegen die Instrumentalisierung von Kunst in staatlichem, privatwirtschaftlichem oder ideologischem Interesse. Kunstfreiheit bezieht sich auf das künstlerische Schaffen ebenso wie auf die Präsentation künstlerischer Werke.
Handlungsfeld Kunstfreiheit
Kunstfreiheit zu schützen, heißt einerseits, Kunst stets gegen interessengeleitete, beschränkende Einflussnahme zu verteidigen. Fundament der Kunstfreiheit ist andererseits der ökonomisch und sozial existenzsichernde Schutz derjenigen, die Kunst schaffen sowie die Gewährleistung der Präsentation und Vermittlung von Kunst durch eine entsprechende kulturelle Infrastruktur. Erst Kunstfreiheit ermöglicht freie künstlerische Forschung und experimentelle zeitgenössische Kunstformen. Der BBK Bundesverband setzt sich für den umfassenden Schutz der Kunstfreiheit ein.
Rahmenbedingungen für künstlerisches Schaffen verbessern und künstlerische Existenz sichern
Faire Vergütung künstlerischer Leistungen, Verbesserung der sozialen Sicherung von Künstler:innen, Atelierraumförderung, Überwindung des Gender Pay and Show Gap
Für den BBK Bundesverband steht die Sicherung künstlerischen Einkommens, auch als Grundlage für die Alterssicherung, ganz oben auf der politischen Agenda. Er fordert die faire Vergütung künstlerischer Leistungen und die Verbesserung der sozialen Sicherung von Künstler:innen. Dazu gehört auch die Atelierraumförderung. Besonderes Anliegen sind Maßnahmen zur Überwindung des Gender Pay und Gender Show Gap.
Handlungsfeld Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit
Der BBK Bundesverband setzt sich für eine faire Vergütung aller kreativen Leistungen von Künstler:innen in all ihren Tätigkeitsfeldern – für Ausstellungen, im Bereich der Kunst am Bau, der Kunst im öffentlichen Raum und der kulturellen Bildung – ein. Ziel ist ein angemessener wirtschaftlicher Ertrag aus der Schaffung, Vermittlung und Präsentation künstlerischer Werke, für ihre analoge und digitale Nutzung. Das in der Pandemie-Zeit gewachsene gesellschaftliche Bewusstsein dafür, dass künstlerische Leistungen fair zu vergüten sind, soll dazu führen, dies in allen Förderrichtlinien der Öffentlichen Hand und öffentlich geförderter Ausstellungshäuser, wie z. B. Museen und Kunstvereine, zu verankern und einen neuen Anlauf zur Verankerung der Ausstellungsvergütung im Urheberrecht zu unternehmen.
Öffentliche Ankäufe sind wichtiges Förderinstrument und dienen zugleich der Sicherung bildkünstlerischen Kulturerbes. Öffentliche Ankaufsetats sind strukturell und finanziell nicht nur zu sichern, sondern zu stärken.
Der BBK Bundesverband engagiert sich für eine nachhaltige Förderpolitik sowie ein kulturförderndes Steuerrecht. Die steuerliche Absetzbarkeit für den Ankauf von Kunstwerken durch Unternehmen ist von derzeit 5.000 auf 20.000 Euro anzuheben. Auch für Private ist ein Steuerfreibetrag für Kunstankäufe und spartenübergreifenden Kunst- und Kulturkonsum in Höhe von 20.000 Euro pro Jahr einzuführen. Die Etats für Bildende Kunst, auch hinsichtlich Stipendien und Projektförderungen, sollen angemessen erhöht werden. Dazu gehören auch Förderprogramme nach Abflauen der Krise zur Ankurbelung des Kunstmarktes.
Förderstrukturen müssen flexibel und offen für zeitgenössische Kunstformen sein. In künftigen Förderprogrammen muss auch ein experimentelles Arbeiten im Sinne künstlerischer Forschung möglich sein und analog zur naturwissenschaftlichen Forschung finanziert werden.
Handlungsfeld Soziale Bedingungen
Die 1983 geschaffene Künstlersozialkasse (KSK) ist zentraler Baustein der sozialen Sicherung und soll im Rahmen einer anstehenden Reform der Sozialsysteme den hybriden Erwerbsbiografien freiberuflicher, selbstständiger Bildender Künstler:innen Rechnung tragen. Die Lehre aus der Pandemie zeigt aber, dass dieser Baustein einiger dringender Reformen bedarf. Das betrifft die Erhöhung der Nebenverdienstgrenzen aus nichtkünstlerischer Tätigkeit und den Umgang mit kuratorischer Praxis von Künstler:innen. Die KSK ist für die soziale Sicherung der Künstler:innen existentiell. Der Bundesanteil für die KSK ist ihren Aufgaben entsprechend anzupassen. Der BBK Bundesverband fordert die dauerhafte Erhöhung des Bundesanteils auf 30 Prozent.
Massive Defizite bestehen außerdem in der Altersversorgung von Künstler:innen und ihrem Schutz vor unverschuldeten existenzgefährdenden Einkommensausfällen. Hier sind Modelle für eine krisenfeste Resilienz Kreativer zu entwickeln.
Schaffung und Schutz von Atelierräumen und Werkstätten sind zu fördern, u. a. durch Programme zur Stärkung von Genossenschafts- und Eigentumsmodellen. Kontakt mit dem Deutschen Gemeinde- und Städtebund unterstützen auch die Landesverbände bei ihren Bemühungen in Gesprächen mit den Kommunen.
Handlungsfeld Geschlechtergerechtigkeit
Der BBK Bundesverband setzt sich für Gender Mainstreaming ein. Die geschlechtsspezifischen Lebenssituationen und Interessen von Künstler-innen* sind insbesondere in folgenden Punkten zu berücksichtigen:
- Für gleiche Leistungen sind gleiche Honorare zu zahlen. Gegen wirtschaftliche und berufliche Benachteiligungen von Frauen* (*auch nichtbinär, trans, inter), wie sie im bestehenden Gender Pay Gap von nahezu 30 Prozent und einem eklatanten Gender Show Gap und Gender Discount Gap manifestieren, sind wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehören die Erleichterung von Berufstätigkeit während und nach der Familienarbeit und die Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Angehörigenpflegezeiten. Dringlich ist ein Neustart des Gabriele Münter Preises.
- Für die Besetzung sämtlicher Gremien, Jurys und Auswahlkommissionen, die über durch Bund, Länder oder Kommunen vergebene Preise, Stipendien und Wettbewerbsaufträge entscheiden, ist eine 50/50-Quotenregelung einzuführen. Für öffentlich (durch Bund, Länder oder Kommunen) geförderte Preise, Stipendien und Ankäufe, auch für Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum, ist mit dem Ziel einer paritätischen Vergabe ebenfalls eine Quotenregelung einzuführen.
- Wettbewerbsverfahren sollen überwiegend mit anonymisierter Bewerbung durchgeführt werden.
- Projekte von Universitäten und andere Bildungseinrichtungen zur Erforschung von Kunst von Frauen* in Vergangenheit und Gegenwart sind zu fördern. Öffentlich geförderte Museen sind zur Bestandsaufnahme von Werken von Künstlerinnen* zu verpflichten. Ausstellungen zur Präsentation bislang in Depots verborgener Kunst von Frauen* sind gezielt zu fördern.
Nachhaltigkeit ermöglichen: Urheberrecht, Nachhaltigkeit durch Digitalisierung und Erhöhung der Sichtbarkeit von Kunst
Die globalen Herausforderungen durch Klimawandel, durch Digitalisierung und Automatisierung vieler Lebensbereiche und Auseinandersetzung mit dem Postkolonialismus werden und müssen zur Transformation der Gesellschaft führen. In diesem Kontext ist für den BBK Bundeverband das Thema Kunst und Klima von großer Bedeutung. Dabei ist der Begriff der Nachhaltigkeit differenziert in seiner anthropologischen und gesellschaftspolitischen Bedeutung zu betrachten.
Künstler:innen als Forschende in künstlerischen Laboren, ihren Ateliers und Werkstätten tragen zur Entwicklung und Innovation der Gesellschaft bei. Mit visueller Kreativität lotet bildkünstlerisches Schaffen das Denken in „alten“, „neuen“ und „visionären“ Themenfeldern aus, entwickelt dazu bildnerische Methoden und Techniken weiter, gibt haptische und konzeptionelle Impulse. Kunst hält die Gesellschaft und die Demokratie am Leben.
Handlungsfeld Urheberrecht
Der BBK Bundesverband streitet für die Rechte der bildkünstlerischen Urheber:innen, insbesondere mit Blick auf die digitale Entwicklung, wie es z. B. die nationale Umsetzung der DSM-Richtlinie erforderlich gemacht hat. Dabei hat der BBK die Vielfalt künstlerischer Medien im Blick und unterstützt diese gleichberechtigt. Er lotet die digitalen Möglichkeiten als Arbeits-, Kommunikations- und Managementinstrumentarium mit seiner Auswirkung auf die künstlerischen Tätigkeitsfelder und berufsständischen Interessen aus.
Handlungsfeld Digitalisierung/Erhöhung der Sichtbarkeit
Es geht nicht um einfache Entscheidungen zwischen „stone or screen“, auch nicht um eine rein produkt-orientierte Forschung. Vielmehr geht es um Freiräume für produktive Synergien zwischen analogem und digitalem Kunstschaffen. Dazu gehören auch Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz (KI) und Non-Fungible Token (NFT).
Präsentation von analoger Kunst im Internet oder in anderen digitalen Medien wird als Abstraktion der Visualisierung erlebt, digitale Ausstellungen analoger Kunst können daher nur ein kunstbetrieblicher Teilaspekt der tatsächlichen Kunstwahrnehmung sein. Der Gefahr einer Reduzierung der sinnlichen Wahrnehmung soll durch eine aktives, analoges Ausstellungsgeschehen entgegenwirkt werden. Da die Präsentation von analoger Kunst im Internet jedoch gleichzeitig globale Sichtbarkeit steigert und teilweise neue künstlerische Perspektiven eröffnet, ist sie in differenziertem Rahmen zu unterstützen.
Kunst(vermittlung) als Baustein lebenslangen Lernens stärken, Kulturerbe, Sicherung von Künstlernachlässen, Auseinandersetzung mit dem Postkolonialismus, Globalität und Diversität von Kunst und künstlerischem Erbe, Kulturelle Bildung und Kunsterziehung stärken
Die Auseinandersetzung mit und das Schaffen von Bildender Kunst ist wesentlicher Teil der Kulturwerdung der menschlichen Spezies auf allen Kontinenten. Das Kulturerbe der westlichen Welt – Europa und den USA – zu dem auch Künstlernachlässe zählen, ist Forschungsgegenstand und Grundlage auch unseres künstlerischen Vokabulars. Aber Menschen in Europa und den USA haben in den letzten 500 Jahren als selbsternannte „erste“ Welt die vielperspektivischen Kulturen auf dem gesamten Planeten überwiegend durch die Brille eines der Gier nach Macht und Reichtum entsprungenen Rassenbildes wahrgenommen, sie haben Schätze geplündert, Menschen misshandelt, versklavt und ausgerottet. Für die westliche Welt gilt es heute mehr denn je die koloniale Brille endlich abzulegen, die Schäden durch den Kolonialismus zu erkennen, die Herkunftskulturen der entführten Kunstwerke, soweit noch möglich, zu entschädigen und Artefakte in die Hände der kulturellen Eigentümer:innen zurückzugeben.
Das weltweite Kunstschaffen ist in seiner Vielfalt und Einzigartigkeit auch in der Kulturellen Bildung für alle Generationen sichtbar zu machen und zu vermitteln.
Handlungsfeld Kulturerbe
Künstlerische Werke und Vor-/Nachlässe sind zugleich Kulturgut und Kulturerbe. Der BBK Bundesverband streitet für eine digitale Archivierung für nichtkommerzielle, wissenschaftliche Zwecke und eine angemessene, physische Archivierung von Kernbeständen künstlerischer Nachlässe. Dabei ist darauf zu achten und der Umstand zu fördern, dass dies der Abbildung eines diversen, (historisch) gleichberechtigten Kulturgutes Rechnung trägt. Dazu sind nationale als auch regionale Depots finanziell und infrastrukturell auszustatten.
Handlungsfeld Kunsterziehung in Schulen
Der BBK Bundesverband fordert die Sicherung und den Ausbau der musischen Fächer, insbesondere der Kunsterziehung, in allen Schulformen und empfiehlt eine Sprachkompetenz für Bilder zu vermitteln. Hierfür bedarf es ausgebildeter Fachkräfte und entsprechender Ausbildungsstätten.
Handlungsfeld Kulturelle Bildung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene
Kulturelle Bildung nachhaltig mit qualitativ anspruchsvollen Angeboten für alle Altersgruppen zu gewährleisten ist Investition in die Zukunft der Demokratie. Eine grundlegende Voraussetzung dafür ist die Einbeziehung professioneller Bildender Künstler:innen. Best Practice-Beispiel sind die vielfältigen Erfahrungen der im Förderprogramm „Kultur macht stark“ vom BBK durchgeführten Maßnahmen. In den Blick sind auch Projekte Kultureller Bildung für Erwachsene zu nehmen und Kulturelle Bildung durch weitere Förderprogramme weiterzuentwickeln.
Handlungsfeld Künstlerische Hochschulausbildung
23 staatliche Kunsthochschulen und Kunstakademien in Deutschland bilden Künstler:innen mit hoher fachlicher Expertise in der Bildenden Kunst aus. Jedoch kommt in der künstlerischen Ausbildung der Studierenden immer noch die Wissensvermittlung der unternehmerischen und urheberrechtlichen Seite des Berufs zu kurz. Betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Informationen zum Kunst- und zum Selbstmanagement sind auch Voraussetzung zum Bestehen auf dem Kunstmarkt und im Kunstbetrieb. Mentoring-Programme und Best-Practice-Beispiele aus den Ländern sollen (Hoch-)Schule machen.
Handlungsfeld Kunst als Teil der demokratischen Öffentlichkeit
Der BBK Bundesverband und seine Landes- und Regionalverbände setzen sich dafür ein, dass künstlerische Praxis als Kunst im öffentlichen Raum und Kunst am Bau selbstverständlicher Bestandteil unserer Umgebung ist und auch in Kunstinstitutionen sichtbar gemacht wird. Repräsentative Bauwerke des Bundes, der Länder und der Kommunen sollten stets den Reichtum an künstlerischer Qualität sichtbar machen – auch in aktuellen künstlerischen Positionen.
Handlungsfeld Postkolonialismus
Der BBK Bundesverband bekennt sich zur Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe und zum sensiblen Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. Es ist wichtig, in der Gesellschaft ein breites Bewusstsein für das Thema der Rückgabe von Kulturgütern zu schaffen und den Dialog mit den Herkunftsländern zu führen.
Der BBK Bundesverband fordert,
- künstlerische Leistungen, u. a. bei Ausstellungen und Projekten, fair zu vergüten,
- durch Reform des Gesetzes zur Einführung der Grundrente und Entwicklung eines Modells zur Absicherung gegen Einkommensausfälle und Altersarmut die Kunstschaffenden besser abzusichern,
- gleiche Chancen und Rechte im Kunstbetrieb zu schaffen, u. a. durch Geschlechtergerechtigkeit und Wiedervergabe des Gabriele Münter Preises,
- einen Steuerfreibetrag für Kunst- und Kulturkonsum in Höhe von 20.000 Euro für Unternehmen und Private zu schaffen,
- die Schaffung und den Schutz von Atelierraum zu fördern.